Neues menschliches Organ entdeckt: Gekröse
Aktuelle Nachrichten: Gekröse
Die „disqualifizierende“ Bezeichnung „Gekröse“ zeigt schon, dass die obduzierenden Ärzte mit diesem etwas undefinierbaren Gewebe nicht viel anfangen konnten. Der Einzige, der vermutlich einen Sinn darin meinte zu erkennen, war bereits im 15. Jahrhundert der Universalgelehrte Leonardo da Vinci, der als einer der Ersten entgegen der strengen Verbote durch die alles beherrschende Geistlichkeit schon Leichen zu Studienzwecken geöffnet hatte.
Aber jetzt erlebt das Gekröse hoffentlich seine wohlverdiente Renaissance. Erste Vermutungen werden schon laut, dass die genauere Erforschung dieses „Organs“ wichtige Antworten und Therapiehinweise auf Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder Fettleibigkeit geben wird.
Warum eigentlich erst jetzt?
Immerhin konstatierte kein Geringerer als Leonardo da Vinci bereits 1508: Das Gekröse ist ein Organ, was aber für die heutige Schulmedizin kein Grund war, sich des Themas anzunehmen. Dazu musste erst gut 500 Jahre danach das Wissenschaftler-Team um Professor J. Calvin Coffey vom University Hospital im irischen Limerick auf den Plan treten. Unter dem Titel „The mesentery: structure, function and role in disease“ (zu Deutsch: Das Gekröse: Struktur, Funktion und die Rolle bei Krankheiten) veröffentlichten die Wissenschaftler gerade ihre Erkenntnisse in der britischen Fachzeitschrift „The Lancet“.
In dieser Arbeit weisen Calvin Coffey und seine Kollegen auch anerkennend auf die Vorleistungen von Leonardo da Vinci (1452-1519) hin. In dessen kunstvollen und zugleich hochgradig qualifizierten Darstellungen erscheint das Gekröse als durchgehendes, einfach geschwungenes Gewebeteil. Heute wissen wir, dass es aber wesentlich stärker verdreht ist. Seine grundlegende Anatomie wurde in den Jahren 2012 und 2014 durch Vergleichsstudien, die die Grundlage der Arbeit von Coffey bilden, nachgewiesen. Coffey bestätigt, dass sich das Gekröse am Ende des Dickdarms befindet und unter anderem unseren Dickdarm an der Bauchwand festhält. Dennoch, so die Aussage der Forscher, ist das Gekröse weit mehr als nur eine Art organischer Haltewinkel für den Darm.
Deshalb ist das Gekröse ein Organ
Es besteht aus einer Doppelfalte am Bauchfell (Peritoneum), das ist eine Auskleidung der Bauchhöhle zur räumlichen Trennung von Magen und Darm. In diesem Zusammenhang wird auch oft von der sogenannten Bauchfellatmung gesprochen, insbesondere Asthmatiker beschäftigen sich regelmäßig mit entsprechenden Übungen.
Noch ist die biologische Funktion des Getöses nicht geklärt. Aber immerhin eröffnet seine späte Rehabilitierung zu einem richtigen Organ nun ganz neue Felder der medizinischen Forschung. Coffey berichtet weiter, dass sie die Anatomie und Struktur nun erforscht haben. Im nächsten Schritt muss unbedingt dessen Funktion ergründet werden. Vielleicht erfüllt das Gekröse sogar mehrere Aufgaben gleichzeitig?
Erst wenn wir seine Funktionen verstanden haben, können wir auch seine Fehlfunktionen feststellen, die sehr wahrscheinlich mit bestimmten Erkrankungen verbunden sind. In der Summe ergibt sich aus all diesen Ansätzen ein ganz neuer Zweig der medizinischen Wissenschaft, die Gekrösologie (engl.: mesenteric science).
Um formal überhaupt als Organ zu gelten, müssen bestimmte anatomische Kriterien erfüllt werden. Das Gekröse ist in der Tat an manchen Stellen lose, ist also nicht ausschließlich nur ein „Anker“ für andere Organe. Dies lässt dringend vermuten, dass das Gekröse auch eigene, spezifische Aufgaben erfüllt, was die gängige Definition für ein Organ bedienen würde.
Wie funktioniert das Gekröse im Sinne eines Organs?
Bisher wurde nur die Anatomie untersucht. Biochemische Prozesse, die das Organ möglicherweise auslöst, werden Gegenstand der medizinischen Forschung der nächsten Jahre sein. Was die Forscher inzwischen feststellen konnten, das ist lediglich eine Ansammlung von Fettzellen um das Gekröse herum. Gewiss hat sich die Natur etwas dabei gedacht.
Kann das Gekröse tatsächlich etwas über unsere Krankheiten verraten?
Die Wissenschaftler vermuten zurzeit, dass das Gekröse in irgendeinem Zusammenhang zu Diabetes, Fettleibigkeit und Darmkrebs stehen könnte. Eine konkrete Bestätigung dieser Annahme steht aber noch aus. Wie oben bereits erwähnt, eröffnet sich gerade ein neuer, höchst interessanter, medizinischer Forschungszweig, an dem sich hoffentlich viele kompetente Wissenschaftler und Institutionen beteiligen werden. Die entsprechenden Forschungsanträge sind mit Sicherheit schon in intensiver Bearbeitung.
Eine abschließende Bemerkung
Anscheinend übte das Gekröse bislang seine Anziehungskraft eher auf Künstler als auf Mediziner aus. Als Beispiel dafür sei hier das letzte Werk aus dem Jahr 2012 des verstorbenen Malers und Bildhauers Franz West genannt, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler Österreichs. Seine überdimensionale, hautfarbene „Schlange“ aus Aluminiumröhren konnte noch kurz vor seinen Tod auf der Kunstschau „Art Basel 2012“ bestaunt werden, siehe auch:
http://www.focus.de/fotos/das-kunstwerk-gekroese-von-franz-west-auf-der-kunstschau-art-basel_mid_1093752.html
Mit dem heutigen Tage verschieben sich nun die Gewichte und das Gekröse wird endlich (wieder) Gegenstand des medizinischen Interesses, wo es auch wahrlich hingehört.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.