Asperger-Syndrom
Das Asperger-Syndrom bzw. der Asperger-Autismus gehört zu den autistischen Entwicklungsstörungen.
Es äußert sich durch mangelnde soziale Kompetenz, eingeschränktes Einfühlungsvermögen und häufig ungewöhnliche Sonderinteressen. Im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus sind Intelligenz und Sprachentwicklung bei Menschen mit Asperger-Syndrom in der Regel nicht auffällig. Größtenteils sind Personen männlichen Geschlechts von Asperger-Autismus betroffen.
Beschreibung
Die erste Beschreibung des Asperger-Syndroms geht auf den österreichischen Kinderarzt Hans Asperger zurück, der im Jahr 1944 an der Heilpädagogischen Abteilung an der Wiener Universitäts-Kinderklinik habilitierte. Hierzu beschrieb er vier Jungen, die er als „kleine Professoren“ bezeichnete. Die Symptome, die er an den vier Jungen erkannte, werden heute unter dem Begriff Asperger-Syndrom zusammengefasst.
Das Asperger-Syndrom ist eine der vielen verschiedenen Formen der Entwicklungsstörung Autismus. Stereotype Verhaltensweisen und eingeschränkte soziale Fähigkeiten der betroffenen Personen sind typische Anzeichen. Hingegen sind Intelligenz und Sprachentwicklung der betroffenen Personen „normal“, was einen wichtigen Unterschied zum frühkindlichen Autismus darstellt. Bezeichnend für das Asperger-Syndrom ist die Ausprägung ungewöhnlicher, ganz spezieller Interessen, Kenntnisse und Fertigkeiten in bestimmten Wissensbereichen.
Der englische Sprachraum kennt die Erkrankung unter den Begriffen „Asperger syndrome“ oder „Asperger disorder“.
Häufigkeit
Belastbare Zahlen über die Verbreitung des Asperger-Syndroms existieren kaum, da je nach angewendeten Diagnosekriterien die Häufigkeitsangaben stark schwanken. Nach konservativen Schätzungen leiden 2 bis 3,3 von 10.000 Schulkindern am Asperger-Syndrom, wobei das Geschlechterverhältnis von Jungen zu Mädchen bei 8:1 liegt.
Symptome
Nach Abschluss des dritten Lebensjahres werden die Symptome für das Asperger-Syndrom erkennbar. In erster Linie mangelt es den betroffenen Kindern an Empathie (Einfühlungsvermögen). Dies hat zur Folge, dass sie Gedanken und Gefühle der Personen in ihrem Umfeld kaum nachempfinden können und sich dementsprechend auch nicht auf andere Menschen und soziale Situationen einstellen können. Ihnen fehlt das Gefühl für persönliche Distanz, sodass es den betroffenen Kindern häufig schwerfällt, Freundschaften zu gewinnen und vor allem zu erhalten. Non-verbale Kommunikation (Gestik, Mimik, Blickkontakt) vermögen sie ebenfalls nicht zu deuten. Eine weitere Schwierigkeit beim Aufbau sozialer Kontakte ist der häufige Hang zur Schadenfreude.
Die Sprachentwicklung der betroffenen Kinder erfolgt frühzeitig. Ihre Wortwahl ist meist ausgefeilt und die Sätze sind grammatikalisch einwandfrei. In Folge ihres mangelnden Einfühlungsvermögens reden betroffene Kinder jedoch, wann und worüber sie wollen, ohne Rücksicht auf das Umfeld und den bisherigen Inhalt einer Unterhaltung.
Asperger-Syndrom-Kinder sind normal bis überdurchschnittlich intelligent, entwickeln allerdings typischerweise derart spezielle Interessen in einem praktisch irrelevanten Wissensgebiet, auf das sie völlig fixiert sind, dass ihre schulischen Leistungen gerade nicht von ihrer guten Intelligenz profitieren. Die betroffenen Kinder lassen sich zudem sehr leicht von ihren immer wieder neuen Einfällen und Impulsen ablenken.
Schließlich neigen Kinder, die am Asperger-Syndrom leiden, zu massiven Wutanfällen, sobald sie kritisiert, eingeschränkt oder gefordert werden.
Für die betroffenen Kinder ist ein gleichbleibender Tagesablauf wichtig, da sie sich von plötzlichen Veränderungen überfordert fühlen. Sie selbst verhalten sich ebenfalls in vielen Situationen stereotyp.
Neben den Verhaltensauffälligkeiten sind weitere Symptome die motorische Ungeschicktheit sowie intensive Zu- oder Abneigungen hinsichtlich bestimmten Geschmacks- und Geruchserlebnissen. Einige Berührungen sind für Asperger-Syndrom-Kinder schier unerträglich.
Begleiterkrankungen (Komorbidität)
In schwierigen Lebenssituationen wie Sterbefällen in der Familie, Umzügen, Pubertät, Umschulung oder der Geburt eines Geschwisterkindes können bei Menschen mit Asperger-Syndrom weitere Erkrankungen auftreten. Häufig sind dies weitergehende Störungen der Motorik, Zwangssymptome, ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung), Depressionen oder Angstzustände, Schlafstörungen, gesteigerte Aggressivität oder Persönlichkeitsstörungen.
Ursachen und Risikofaktoren
Eine konkrete Ursache für das Asperger-Syndrom konnte bislang nicht entdeckt werden. Vermutlich ist das Zusammenspiel verschiedener Faktoren verantwortlich für die Entwicklung des Asperger-Syndroms.
Geklärt ist jedenfalls, dass genetischen Faktoren eine große Bedeutung zukommt. Etwa vier bis zehn Erbanlagen sind nach aktuellem Wissensstand beteiligt an der Entstehung autistischer Störungen, zu denen auch das Asperger-Syndrom zählt. Auch einige genetisch bedingte Erkrankungen können ursächlich sein für die Entstehung autistischer Störungen. Zu ihnen zählen u.a. das Williams-Syndrom oder auch eine unbehandelte Phenylketonurie (bestimmte Form der Stoffwechselstörung).
Daneben stehen auch Infektionen während der Schwangerschaft wie beispielsweise Röteln im Verdacht, ‚positiven‘ Einfluss auf die Entstehung autistischer Störungen zu haben.
Schließlich scheinen biochemische und neurologische Auffälligkeiten – wie Unregelmäßigkeiten der elektrischen Hirnströme und Aufbau-Abweichungen bestimmter Hirnregionen, die Sozialverhalten und Sprache steuern – beteiligt zu sein an der Entstehung des Asperger-Syndroms. Die genannten Störungen könnten möglicherweise psychologische Fehlfunktionen hervorrufen, die im Ergebnis zu den für das Asperger-Syndrom typischen Verhaltensauffälligkeiten führen.
Drei Bereiche der Informationsverarbeitung und der Wahrnehmung sind von diesen Fehlfunktionen betroffen:
- Exekutive Funktionen meinen die Fähigkeit, das eigene Verhalten situationsbedingt zu steuern und die nähere Zukunft zu planen.
- Die „Theory of Mind“ bezeichnet die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, die nach neueren Erkenntnissen mit den sogenannten Spiegelneuronen im Gehirn zusammenhängt. Diese sind möglicherweise beim Asperger-Syndrom verändert.
- Zentrale Kohärenz umfasst die Fähigkeit, aus mehreren einströmenden Details ein Gesamtgefüge herzustellen und dementsprechend Situationen richtig einzuschätzen.
Ausgeschlossene Ursachen
Widerlegt ist die alte Hypothese, nach der fehlende Liebe der Eltern verantwortlich sei für die Entstehung autistischer Störungen. Auch eine vollständig fehlende Bindung zu den Eltern oder die Art der Erziehung haben keinerlei Einfluss auf das Risiko, an Autismus zu erkranken.
Gleiches gilt bezüglich der These, Impfstoffe bzw. deren Konservierungsstoffe riefen Autismus hervor. Hierfür gibt es keinerlei Belege.